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Vom Suppenfleisch zu Süßkirschen

Mit  19 Jahren bin ich in meine dritte Wohnung gezogen. Zusammengewürfelte Möbel, wenig Sinn für Ordnung, dafür sehr kreativ und interessant, habe ich mein Zuhause wohnlich gestaltet. Meine Nachbarin hingegen hatte einen Schöner-Wohnen-Palast. Die Küche aus Italien eingeflogen, jedes Möbelstück sorgfältig gewählt und frische Blumen an jeder Ecke. Mit diesem perfekten Haus vor Augen haderte ich mit meiner doch eher unperfekten Wohnung. Doch meine Mutter tröstete und ermutigte mich mit der Lebensweisheit, dass mit einem Pfund Suppenfleisch wohl jeder eine gute Suppe kochen könne. 

Mit einem Pfund Suppenfleisch kann jeder eine gute Suppe kochen.

Diesen Satz hatte Sie schon von Ihrer Mutter übernommen. Und wenn ich recht darüber nachdenke – so hat sie mich auch erzogen. Es ist eine Kunst, aus dem, was da ist etwas Wundervolles zu schaffen. Für mich ist der Satz zu einem Lebensmotto geworden. Erst mal schauen was da ist, was man damit erreichen kann. Das gilt für die Einrichtung meines Zuhauses, für das Kochen einer Suppe und auch für meine Persönlichkeit – das beste machen aus dem, was da ist. Und frische Blumen kann ich mir trotzdem gelegentlich kaufen.

Und wie komme ich jetzt zu den Kirschen?

In unserem Garten steht ein Kirschbaum. Süßkirschen. Nicht so geeignet zum Einkochen, nicht so geeignet zum Marmelade machen, nicht so geeignet für Wein, nicht so geeignet für ... ! Nun, ich habe Kirschen ohne Ende – Süßkirschen. Also hat sich unsere ganze Familie –  Papa, Mama, Sofia (8) und Zoe (5) –  Gedanken gemacht. Was machen wir mit diesen vielen, vielen Kirschen? Es ist uns so einiges eingefallen. Als erstes unsere Zoe: Kirschmarmelade für Opa, egal ob lecker oder nicht. Dann haben wir unsere Nachbarn zum Kirschfest eingeladen mit Kirschbiskuit, Waffeln mit Kirschgrütze und Kirsch-Likör. Andere Nachbarn verbrachten Stunden mit schwerem Gerät und langen Leitern in unserem Garten, um sich Körbe und Seien mit Kirschen zu füllen. Jetzt kenne ich die wahre Bedeutung des Wortes Herzkirschen.

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Kommentare: 3
  • #1

    Andrea (Dienstag, 30 Juni 2020 18:06)

    Toll! Hab geschmunzelt. Konnte Deine Stimme hören, besonders wenn du Suppenfleisch sagst.

  • #2

    Melanie (Mittwoch, 15 Juli 2020 21:21)

    Ach du vom Himmel gefallener Engel!!!
    Was für ein toller Blog und dankeschön für dein Sein!

  • #3

    Tinchen (Montag, 21 September 2020 09:11)

    Teilen... Sein Herz(kirschchen) und Zuhause für die Nachbarn öffnen. Mühe auf sich nehmen, um für andere da zu sein. Auch so ein Schritt, wo das Ergebnis erst im Nachhinein sichtbar ist. Wie schön, dass dieser Kirschbaum und eure willigen Herzen dazu beigetragen haben, etwas Wärme zwischen (!) die Mauern der Nachbarschaft zu bringen.